29.2 Ausstellung und Geburtstagsparty im Kunstverein Plauen – Vogtland

Der Kunstverein Plauen-Vogtland e. V. lädt herzlich ein zur VERNISSAGE AM SAMSTAG,

29. FEBRUAR 2020 um 19 Uhr in die Galerie im Malzhaus.

BEGRÜSSUNG WILFRIED HUB – Vorsitzender Kunstverein Plauen-Vogtland e.V.

LAUDATIO ALEXANDER NEUMANN – Maler, Bildhauer und Publizist aus Dresden

MUSIK KUNST SEI DENWERK – Crossover

Austellugsdauer: 29.02.–05.03.20

https://www.blick.de/vogtland/plauener-maler-feiert-60-geburtstag-artikel10738022?fbclid=IwAR2fct6i1oyZoNXF-BGvPstPdi_whLl1_rwLMST2-pohXRE_9og

LAUDATIO ALEXANDER NEUMANN
Maler, Bildhauer und Publizist aus Dresden

Lieber Thomas, Liebe Freunde und Verwandte, sehr geehrte Kollegen, Kunstfreunde und Besucher

Zunächst vielen Dank für die Einladung in diese Ausstellung, die in besonderer Weise zwei Anlässe zum Inhalt hat, die heutige Vernissage und natürlich lieber Thomas, an deinem heutige 60. Geburtstag, Dich als Mensch zu feiern und auch Dein Leben zu würdigen. Ich erwähne diese barbarische Zahl auch nur ein einziges Mal.

Unsere Freundschaft begann im Jahre 1983, als ich mit meiner Familie in die Heinrichstraße gezogen bin. Unter dem Dach des Hauses, hatte ich einige Räume gemietet, die ich zum Atelier ausgebaut habe. Fanta, so der Spitzname von Thomas Beurich, begegnete mir alsbald, als ein an Kunst, vor allem an Malerei interessierter junger Mann, der eine Anstellung als gelernter Werbefacharbeiter im Plauener Kaufhaus hatte. Wir befreundeten uns und begannen in diesem schon erwähnten Atelier zu arbeiten. Auch andere Plauener Künstler schlossen sich unserem Arbeitskreis an. Es war eine sehr fruchtbare Zeit, mit der für die damaligen Verhältnisse sehr ausgeprägten Solidarität, zumal wir uns der Aufklärung widmeten und den Strömungen der Zeit öffneten. Künstlergemeinschaften in der DDR waren oft auch Bündnisse in der Not, in denen schwer zugängige Literatur oder verbotene Botschaften kursierten, die als westlich dekadent oder Schund- und Schmutzliteratur diffamiert wurden. So steckte mancher seine Nase in unseren Kreis, der sich später enttarnen lassen musste. Ich erwähne dies nur am Rande, weil wir nach 30 Jahren der Deutschen Einheit möglicherweise manches vergessen haben. Wir widmeten uns damals in sehr disziplinierter Weise dem Naturstudium, wir zeichneten, malten und gingen auch viel hinaus in die herrlichen Landschaften des Vogtlandes um vor der Natur zu malen. In dieser Zeit stellten wir sogar manche Ölfarben selbst her und beschäftigten uns gern mit der Alchemie der Kunst. Thomas Beurich war ein Meister der Malgründe die er sehr plastisch mit Gibs und Kreide aufbaute um nicht nur die Bilder zu malen, sondern diese auch als Relief aufzubauen. Das war beste Dresdner Schule, eine haptische Bildoberfläche! Die Stadt Plauen hatte damals einen sehr pfiffigen Kulturfunktionär der 1985, 87 und 89 jeweils 14 tägige Malerpleinairs mit 10 Künstlern in der Umgebung des Vogtlandes veranstalten konnte. Daran nahmen wir teil. Es waren herrliche Tage im Sommer an der Talsperre oder einmal sogar im Grenzgebiet. Wir genossen dort herrliche Verköstigungen und Getränke und bekamen Materialgeld. Am Ende wurden auch noch Bilder angekauft, die in Betrieben, Funktionärs– Armee- oder LPG-Räumen aufgehenkt wurden. Natürlich gab es auch die eingangs beschriebenen Nasen in diesen Kreisen. Bei einem Pleinair im Grenzgebiet stand uns ein Fahrer mit einem Trabant Kübel zur Verfügung, der uns verführerisch nah an die Grenzanlagen fuhr, nicht ohne, dass wir vorher einen Vortrag über das Verhalten im Grenzgebiet von einem Politoberst bekamen und versichern mussten, nicht abzuhauen. So kamen wir uns vor wie Hunde, denen man eine Wurst vor die Nase hält ohne dass sie zuschnappen dürfen. Thomas Beurich, hatte damals schon einen sehr ausgeprägten Freundeskreis, der in den Ostzeiten sich oft über die kleinen Freiheitsnischen und den Musikgeschmack fand. Bei Thomas Beurich tönte es in der Wohnung mit Songs von Frank Zappa, Käpten Beefhardt, Tom Waits oder anderen schrägen Musikern. Überhaupt ist sein subtiler Musik- und Literaturgeschmack ein Wesensmerkmal. Aber auch Bildung und Sachkenntnis, eine noble Humanität und politische Aufgeklärtheit kennzeichnen diesen Künstler und Mensch auf besondere Weise. In den letzten 20 Jahren ist er ruhiger geworden die Bohemien und Ausschweifungen haben abgenommen. Die Konzentration auf das Werk, auf das Schaffen sind zu einer derartigen Reife gelangt, dass man getrost von einem Sprung durch die Kulissen des Lebens reden kann. Ich habe in den letzten 25 Jahren viele Festreden auch Katalogtexte für Thomas Beurich verfasst und dabei festgestellt, dass er den unbeirrbaren Weg eines Künstlers beschreitet, worin ein Werk zu einer betörenden Authentizität wachsen kann, zu einer einmaligen und unverwechselbaren Bildsprache. So sind in meinen früheren Überlegungen oft Vergleiche oder Analogien zur Sprache gekommen, die es jetzt nicht mehr braucht.

Einen solch brillanten Künstler muss man nicht mit Vergleichen kleinreden! Schon deswegen nicht, wenn die Originalität, die formalästhetische Bildsprache und der technische Schöpfungsprozess keinen Vergleich bieten! Allenfalls die Wiener Schule vielleicht in ihrer Ästhetik, im Pathos der Provokation. Die Schöpfung von Bildern kennt viele Wege, vor allem im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit. So tastet sich Beurich als ein Berichterstatter durch die visuellen Schlangengruben. In denen nicht nur die Medusa lauert, sondern die Fallen des Fakes. Somit gleicht das Auffinden der originären Motive, dem Überleben in einem Dschungel unbegrenzter Möglichkeiten, der innerhalb einer Bildinflation, eines Bombardements mit visuellen Signalen und der schieren Kurzlebigkeit von Abbildungen korrespondiert. Der sich selbst häutende Begriff „Moderne“ hat die Kunst in andere, neue Standorte verwiesen. Kunst ist zudem auch Handelsware und Anlagevermögen wie Fußballspieler oder Aktienfonds. Die künstlerische Authentizität tritt hinter die Vermarktungsstrategie zurück! Heute werden Ausstellungen oft als Kunst- Events inszeniert mit großem Getöns, die gehypten Maler gelten gleich als Superstars es fehlt bloß noch ein Feuerwerk vor der Galerie. Der historische Gattungsbegriff „Tafelbild“, im goldenen Schnitt oder die Kompositionen als plastisch räumlich/wirkende Gebilde haben sich verwandelt in ein Agieren mit dokumentarischen oder kinematischen Effekten. Insofern übernimmt Thomas Beurich die Bildregie wie ein Filmschaffender, worin Raum und Zeit in eigene Gesetzen agieren. Die Bilderzählung, die seit der Renaissance bis in die klassische Moderne die inhaltlichen Aspekte der Malerei prägte, scheinen aufgehoben. Verlieren sich, bilden immer neue Allianzen des Absurden. Ein Oben und Unten muss nicht mehr zwangsläufig die Wirkung der Schwerkraft beschreiben. Denn diese scheint ohnehin aufgehoben, vielleicht sogar aufgegeben, weil in der Realität auch nichts mehr stimmt. Die gesellschaftlichen Prozesse haben neue Kreaturen geschaffen, neue Helden im ungeahnten Mittelmaß. Die künstliche Intelligenz schafft die Humanintelligenz ab und übernimmt im Rauschen der Algorithmen auch die ästhetische Wahrnehmung, ja sogar die individuelle Steuerung der Menschen. Diese Bilderflut strömt auf den Künstler ein, überwältigt ihn vergewaltigt ihn wie uns alle! Kriege, Drangsale, Seuchen und Katastrophen sind Teil der Unterhaltungsindustrie geworden und die Arroganz und der Zynismus gelten als alltagstaugliche Betrachtungsstrategien. Die Sehnsucht nach dem Menschen, der in Empathie und Liebe zur Schöpfung agiert, wird verschüttet, schon dann wenn Kinder mit virtuellen Mitteln in Netzspielen kompromisslos töten und wir Alten wegsehen. Und mit den Totschlägern in unserer Sprache, die da lauten „Verschwörungstheorie“ oder „Nachhaltigkeit“, wird der Rest erledigt. Vielleicht sollten wir solange keinen Bach, Mozart oder Beethoven mehr hören dürfen, bis wir uns gebessert haben! Wenn wir wenigstens noch die Reste des Humanismus ausgraben würden, aber wir können das nicht weil wir die Welt nach seltenen Erden umpflügen müssen, um uns, mit deren Hilfe in unseren Super-Handys und PCs noch weiter von der Menschlichkeit entfernen zu können. Meine sehr verehrten Damen und Herren fühlen sie sich zurecht angesprochen. Auch in den feierlichen Augenblicken, wo wir einen Maler würdigen, der für uns Bilder macht, die wir nicht malen könnten. Thomas Beurich stellt sich der allgemeinen Kritik des Alltags, des Daseins mit aller ethischer Verantwortung, diese unbeeinflussbare Haltung ließ ihn über Jahrzehnte zu einem in Fachkreisen anerkannten Künstler reifen.

Ich zitiere: „Ganz großer Künstler aus ganz kleiner Stadt.“ schrieb W.P. Fahrenberg, 2020, als er das Werk: „Postdigital“ zum ersten Mal sah. W.P. Fahrenberg, der mit Künstlern wie Joseph Boys, Horst Jannsen oder Robert Gernhardt zusammenarbeitete, sollte auch in der Stadt Plauen kein Unbekannter sein, zumal auch sein Engagement für E.O. Plauen bekannt sein dürfte. Er schrieb weiter: „mein Gott, ist das großartig !!! Ich kann die Augen kaum davon lassen… Ehrenplatz garantiert“ Immerhin handelt es sich hier um die geplante Ausstellung „Wider das Böse“ zunächst in Celle, später dann in Marburg, für die u.a. auch Dietmar Wischmeier als Textautor zur Verfügung steht.

Es ist also kaum verwunderlich dass schon im Jahr 2019 zahlreiche Ausstellungen für Thomas Beurich stattfanden wie u.a. in der „Runde Ecke“ – dem Stasi-Unterlagen-Archiv Leipzig (BStU) oder in Dresden: in der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Um so mehr wundert mich, dass die Stadt Plauen nicht auf Th. Beurich zugeht und ihm gebührende Ausstellungen anbietet. So lebt er also hier, wie ein Eremit oder wie Friedrich Hölderlin einst im Turm zu Tübingen. Ja natürlich haben wir ein Recht auf Gemütlichkeit, auf ein Bierchen und einen schönen Braten, wenn wir jeden Tag lebend aus dem Getriebe kommen, das schon Charlie Chaplin vor 100 Jahren als absurd in seinen Filmen verarbeitete. Den Bildern von Thomas Beurich steht eine große Zukunft bevor, weil sie authentisch in Ihrer Zeit ihre Zeit beschreiben! Und es freut mich außerordentlich, dass sich nach diesem zähem Ringen über Jahrzehnte hinweg, auch vielen Auseinandersetzungen hinweg, endlich die Erfolge einstellen, die öffentliche Wahrnehmung eintritt und die entsprechenden Anfragen auf seine Kunsteintreffen!
Natürlich kann ich als Vertreter der Dresdner Mal-Schule den Aspekt des Farbrausches, der Spontaneität und die Verzückung des Malerischen nicht ausblenden. Zumal wir, Thomas und ich in den 80‘er Jahren fasziniert waren von den eruptiven, plastischen Bildern von Siegfried Klotz dessen Karriere in Reichenbach im Vogtland begann und dessen Werke das freudvolle und optimistische Abbild des Daseins sind. Um so erstaunlicher ist, dass Thomas Beurich in der gemütvollen Idylle, im geistigen Ödland des Vogtlandes zu einer solch erstaunlichen Weltsicht gelangt, die man üblicherweise mit Berlin, London oder New York in Verbindung bringen könnte. Auch das Unterkühlte seiner Bilder, die perfekte Abkehr vom Emotionalen vom Leidenschaftlichen hin zu gebotener Distanz und analytischen Blicken. Der schon erwähnte Hölderlin sagte einmal, „hast du Herz und Verstand, so zeige nur eines von beiden.“ So können wir in den Bildern nicht gefahrlos spazieren gehen, weil sie keine Gärten der Lüste sind sondern die Eiszeit, die Endzeit beschreiben. Dabei erlebt man Thomas Beurich, wenn man ihn kennenlernt, als einen heiteren, großzügigen Menschen mit einem großen Herz. In seinem Umfeld rumort die Familie die ihm viel bedeutet und die Katze Fine, die natürlich auch in dieser Ausstellung ihren Platz gefunden hat.

In dem Gemälde „Widersprüchliche Signale“ sehe ich den Rückenakt einer jungen Frau, in einem nahezu kaum zu erkennenden deutbaren Innenraum der sowohl das Innere einer Kirche oder Werkhalle sein könnte manches scheint diese, manches scheint aber auch die andere Vermutung zuzulassen. Das
Frauengeschöpf, will ich nicht in dieser Welt verorten. In blauen kalten Hauttönen sehe ich ein selbstbewusstes Wesen, kein geschundenes Opfer sondern eine still agierende gottgleiche Frau als Antithese zu Buddha vielleicht, oder die Ikone der lasterbehafteten. Die Phallusarteigen Bowling-Pins die
ihrerseits wie Kellner-Pinguine auf mich wirken, oder wie die lustbereiten Herren aus einer Gangbang-Orgie. Auf dem Rücken der Frau und eines dieser Pins erglüht ein Rot! Wodurch sich der Zusammenhang beider Bildornamente organisiert. Das Motiv der Aster auf dem Rücken bekommt unwillkürlich den Eindruck eines Einblickes in die Eingeweide, aber mehr noch die Assoziation einer Vulva das Hineinblicken ins Lustzentrum. Eine Vorstellung in der sich die Ästhetik mit der Phantasie einen Kampf liefert, ähnlich den Schuldgefühlen, wenn man sich auf dem Handy einen Pornofilm anschaut. Dieses
teuflische Spiel, was hier der Künstler anzettelt, brandmarkt die pornografischen Signale beim Betrachter, hier geht die Verantwortlichkeit für das hinschauen auf den Betrachter über. So ist man in einer voyeuristischen Falle, dem Hinglotzen wie man es von Schaulustigen kennt. Sollte jedoch alles ganz anders sein, dann ist die Deutungshoheit wieder beim Betrachter, weil von all dem was ich schilderte nichts wirklich zu sehen ist…

In dem Bild „auf ewig“ sehen wir in ironischer Überhöhung die Katze Fine. Dieser kleine schwarze Kobold, mit dem Glöckchen um den Hals und dem lauten tiefen Schnurren, scheint wie der heitere Botschafter der Apokalypse. Mit ahnungsvoller Naivität thront sie auf dem Schädel mit nach rechtsgewandten Blick. Ihre Botschaft lautet: „heute lachst du noch..“ Die einerseits makabre andererseits unbeschwerte Schwingung zwischen den Gefühlen, zwischen Hingabe und Verwerfung, zwischen Statement und Zufall beschreibt genau den Ort, in denen Beurich seine Bilder ansiedelt. Der schwere schwarze Schatten lässt sie auf die Größe einen Panthers heranwachsen, die sie auch an Bedeutung für Thomas Beurich hat.

Das eingangs schon erwähnte Bild „Postdigital“ zeigt den letzten Raum, den endgültigen, die Hölle! Ohne das auch nur im Ansatz digitale Technik zu sehen ist, ohne den Zeigefinger der moralischen Instanz eines in Gut und Böse sortierenden Künstlers, sehen wir die Mechanismen des perfekten Verlustes des Menschlichen, der Menschlichkeit! Die Fratzen der Figuren auf den Seitenflügeln haben, das Antlitz zynischer Teilnahmslosigkeit zum Idealgesicht erkoren. Im Bildraum der Mitteltafel bekommt der Schädel Teddyohren und ist mithin noch das „menschlichste“ was wir entdecken können. Der hopsende Stinkefinger der auf vier Frauenbeinen in Richtung des Mittelaltars reitet oder von dort kommend trägt die gleiche Botschaft wie das ganze Bild, die da lautet: „die schlimmste aller Todsünden ist die Gleichgültigkeit.“ Mit der Deutung dieses Bildes, meine Damen und Herren, möchte ich meinen Vortrag beenden, auch wenn die letztgesagten Worte kein guter Ausklang sein mögen!
In alter Tradition beende ich Ansprachen mit einem Gedicht diesmal aus meinem Gedichts Zyklus von 2015: „Wer sich in die Augen sticht, spart die Kosten für das Licht“

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